Helmsdorf, 28.01.2023
Stimmen und Stimmung in der Landwirtschaft
Wie geht es Produzenten aus unserer Region und mit welchen Herausforderungen hat die regionale Landwirtschaft in Zeiten, geprägt von Kostenexplosionen und fehlender Planungssicherheit, aktuell zu kämpfen?
Diese und andere Fragen haben uns in die Stolpener Region, genauer gesagt, nach Helmsdorf zum Familienbetrieb des Obsthofes Rüdiger geführt, der auch in Dresden Weißig einen Hofladen betreibt.
Die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe hat in Deutschland in den letzten 10 Jahren um 35.600 abgenommen. Das heißt, pro Jahr haben durchschnittlich 3.560 Betriebe die Hoftore für immer dicht gemacht, so die Statistik von Bund und Ländern aus dem letzten Jahr.
Dafür können die Rüdigers eine Reihe von Gründen nennen, die nicht nur nachdenklich stimmen, sondern auch ein Appell an unsere aktuelle Regierung sind, endlich zu handeln!
Ulrich und Ute Rüdiger empfangen uns, Karla, die flinke Autorin und mich an diesem kalten Samstagmorgen liebevoll auf ihrem Dreiseithof, in dem sich auch der Hofladen, Räume für Technik und das Wohnhaus befindet.
Wir machen es uns im elterlichen Wohnzimmer bei einer Tasse Früchte-Tee gemütlich und probieren die selbstgebackenen Kekse-lecker.
Bereits vor über 300 Jahren, und zwar genau im Jahre 1792 kaufte Johann Fürchtegott Rüdiger unseren Dreiseithof, beginnt Ulrich zu erzählen. Familientradition seit 300 Jahren und immer war ein Rüdiger im Besitz der Landwirtschaft. Zuletzt mein Vater, von dem wir den Hof 1992, also vor 30 Jahren übernommen und weiterentwickelt haben, so Uli, wie er kurz genannt wird.
Heute bewirtschaften wir ca. 50 ha Land, verteilt auf Helmsdorf, Elbersdorf und Stolpen-Altstadt. Davon sind ca 21 ha mit 23 verschiedenen Apfelsorten bepflanzt, 5 ha mit Pflaumen, 0.7 ha mit Birnen, 2,5 ha mit Kirschen in 11 verschiedenen Sorten, 8 ha mit Erdbeeren in 8 verschiedenen Sorten, 0,3 ha Gemüse unter Folietunneln sowie nochmal ca. 12 ha Ackerland und Wald.
Natürlich kann auch bei uns in der jeweiligen Saison selbst gepflückt werden, Äpfel, Kirschen und Erdbeeren sind dabei besonders beliebt. Und man schmeckt den Unterschied. Viele Jahre haben wir immer nur das angeboten, was die Saison gerade hergibt. Doch unsere Kundschaft hat immer häufiger gerade auch im Winter z. B. nach Gurken und Tomaten gefragt, Dinge, die in Großmärkten wie selbstverständlich das ganze Jahr angeboten werden.
Letztendlich haben wir uns dieser Nachfrage gebeugt, eben um unsere Kundschaft zu halten und bieten auch im Winter Gemüse, was bei uns jetzt nicht wächst. Dass diese Produkte teilweise kaum Geschmack haben, scheint die Kunden dabei nicht zu stören.
Wir selbst jedoch wollen nur das empfehlen, was uns selbst auch schmeckt, das wird auch künftig so bleiben.
Uns so findet man in unseren beiden Hofläden neben Obst- und Gemüse aus eigenem Anbau, auch Fischprodukte vom Forellenhof Ermisch, Käse, Joghurt und Quark von der Hofkäserei Vetter, Wurstspezialitäten, Eier, Nudeln und Liköre vom Bauern Pietzschke aus Schönbach oder ausgewählte Weine aus Meißen. Aber auch selbstgemachte Marmeladen und Honig sowie Gewürze, Tee, Öle und Pasta sind bei uns vorrätig.
Besonders beliebt sind unsere selbst gepressten Apfel-Säfte aus eigener Ernte ohne Zucker und sonstige Zusätze, so Ute. In einer praktischen 5l-Box, haltbar für 2 Jahre, kann der Kunde zwischen verschiedenen und wechselnden Apfel-Geschmackssorten von leicht süßlich bis ganz süß auswählen. Unser Sortiment umfasst insgesamt 23 Apfelsorten.
Auch an Präsente haben wir gedacht. Wer möchte, der schenkt ganz einfach Gesundheit. Wir haben tolle Ideen und gestalten schöne Präsentkörbe. Eine ganz besondere Überraschung, die nicht nur Appetit bereitet, sondern auch noch sehr bekömmlich ist, so Ute.
Das klingt nach heiler Welt und welcher Verbraucher wird sich dabei schon bewusst fragen, wie diese Produkte in den Handel kommen und mit welchen Unwegsamkeiten es Produzenten und Lieferanten aktuell zu tun haben?
Das kann ich euch genau sagen, so Uli. Wir bewirtschaften u. a. auf einer Fläche von ca. 0,3 ha Gemüse unter Folietunneln, davon 400 m² Gurken, für die wir regelmäßig Öl einkaufen müssen, um diese zu beheizen. Dabei fließen ca. 1.000 Liter Öl jede Woche durch die Öfen und die Preise für diesen Brennstoff haben sich jetzt um etwa 65 % erhöht. Hinzu kommen die explodierenden Energiekosten. Haben wir in der Vergangenheit ca. 5.000 € Stromkosten in Rechnung gestellt bekommen, so sind es jetzt 14.000 € im Jahr. Das ist fast eine Verdreifachung und niemand kann uns erklären, wie diese Kosten erwirtschaftet werden können, denn einfach umlegen auf den Verbraucher ist nicht, da könnten wir gleich schließen.
Bald beginnt das Frühjahr und das heißt jede Menge Arbeit. Junge Pflanzen müssen eingekauft werden, die Saison braucht Planung und Sicherheit, gerade was die Einkaufspreise angeht. Doch Planungssicherheit ist hier Fehlanzeige!
Wir sind ein Familienunternehmen, beschäftigen 6 Mitarbeiter und jedes Jahr kommen bis zu 20 Saisonarbeitskräfte aus Rumänien hinzu, für die wir Mindestlohn und Sozialversicherung bezahlen müssen.
Wir beide sind jetzt 64 Jahre und da fällt dir die Tagesarbeit nicht mehr so leicht, so Uli. Nur im Familienverbund ist zu schaffen, was wir täglich leisten und an ein Aufhören ist nicht einfach so zu denken. Nachfolger finden, die in dieser Zeit bereit sind, derartige Risiken in Kauf zu nehmen ist fast undenkbar und für uns auch unzumutbar. Dennoch haben wir großes Glück, das Robert unseren Betrieb noch mit übernehmen wird.
Kein Wunder also, das in Deutschland in den letzten Jahren das Höfesterben enorm zugenommen hat. Auch Tierhalter geben massenweise auf. Das sind keine wirtschaftlichen Bedingungen mehr für ein vernünftiges Wachstum, weder im Gewächshaus noch auf dem Acker und schon gar nicht im eigenen Unternehmen. Sichtbar ist die Unzufriedenheit bei den Rüdigers, die zwei Söhne haben, von denen Martin (41) im elterlichen Betrieb mitarbeitet und Robert (39) den Obstbau Rüdiger in Hosterwitz betreibt und gleiches berichtet.
Es fehlt eine vernünftige und langfristige Unterstützung der Politik. Auch die Banken sollten sich nicht aus der Affäre ziehen, denn ohne flüssiges Geld geht nichts.
Was wir uns wünschen ist Gesundheit und dass unsere Familie den Widrigkeiten Stand hält und es endlich wieder Licht am Ende des Tunnels für unsere Branche gibt und dieses Licht nicht gerade der Zug ist, der uns entgegenkommt und überrollt.
Zum Abschied schenken uns die Rüdigers einen Sack köstlicher Äpfel. Wir spüren die Verbitterung und die große Hoffnung auf Veränderung, weg vom aktuellen politischen Geschehen und den Gefahren, die sich hierdurch aktuell entwickelt haben.
Vielleicht können wir hier einen kleinen Denkanstoß vermitteln, wie sensibel und gefährdet die Branche tatsächlich ist und dass es eben nicht selbstverständlich ist, wenn wir Obst und Gemüse aus eigenem Anbau unserer Region in unserem Warenkorb vor uns her schieben.
Wir wünschen Familie Rüdiger genau das, Gesundheit und Planungssicherheit! Wir bedanken uns für die Zeit auf dem Hof, die Äpfel und werden ganz bestimmt berichten, was es Neues gibt und wie es für den Obsthof Rüdiger weiter geht.
Öffnungszeiten Hofladen Weißig:
Bautzner Landstraße 291, 01328 Dresden
Montag bis Freitag: 08:00 Uhr - 18:00 Uhr
Samstag: 08:00 Uhr - 13:00 Uhr
Öffnungszeiten Hofladen Helmsdorf:
Wesenitzstraße 9, 01833 Stolpen/Helmsdorf
Montag geschlossen
Dienstag – Freitag 9.30 – 17.00Uhr
Samstag geschlossen
Ein Beitrag von Karla und Dirk
(Redaktion Lust auf Dresden
Obsthof Rüdiger & Sohn GbR
Wesenitzstraße 9, 01833 Stolpen
Tel. 035973 - 24377
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