Dresden, 11.06.2024
Tierschutz, Umweltschutz oder die eigene Gesundheit: Gründe, vegan zu leben, gibt es viele. Doch auf tierische Produkte zu verzichten, ist für viele ein großer Schritt. Wir erklären, wie es geht.
München/Hamburg (dpa/tmw) - Eine vegane Ernährung ist nur etwas für Ökofreaks? Nein. Es auszuprobieren, lohnt sich für viele. Denn: Tierische Produkte vom Speiseplan zu streichen, verbessert nicht nur die Klimabilanz, sondern kann durchaus auch gesund sein.
Für die meisten Menschen ist es normal, täglich Eier, Milch und Käse zu essen. Auch Fleisch kommt bei vielen regelmäßig auf den Teller. Solche Essgewohnheiten abzulegen, scheint im ersten Moment undenkbar. Dabei ist das gar nicht mal so schwer.
Was sind die Vorteile einer veganen Ernährung?
Vegan wird man nicht einfach so. Dieser Schritt ist meist gut überlegt. Diese drei Gründe spielen dafür oft eine Rolle:
1. Tierwohl
Veganer möchten nicht dazu beitragen, dass Tiere bei Aufzucht, Haltung und Transport leiden. Viele lehnen es schlicht ab, dass Tiere für die eigene Ernährung und Lebensweise getötet werden.
2. Klimaschutz
Viehzucht schadet dem Klima. In Deutschland sind 5,2 Prozent der Treibhausgasemissionen direkt auf die Haltung von Nutztieren zurückzuführen, so das Umweltbundesamt. Eine indirekte Wirkung ergibt sich durch den Anbau von Futterpflanzen und das Düngen.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes ließen sich bei einer veganen Lebensweise bis zu 52 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen pro Kopf einsparen.
3. Gesundheit
Vegan zu essen, hat laut Ernährungsmediziner Prof. Johannes Wechsler verschiedene positive Effekte auf die Gesundheit:
weniger Übergewicht
weniger hohe Blutfettwerte
ein geringeres Risiko, an Diabetes zu erkranken
Forscher vom Physicians Committee for Responsible Medicine fanden außerdem heraus, dass eine vegane Ernährung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis die Gelenkschmerzen lindert. Mögliche Erklärung: In tierischen Lebensmitteln stecken Omega-6-Fettsäuren, die als entzündungsfördernd gelten.
Wie gelingt die Umstellung auf eine vegane Ernährung am besten?
Wie einfach die Ernährungsumstellung fällt und wie der Körper darauf reagiert, ist sehr individuell und hängt auch davon ab, wie man sich vorher ernährt hat.
Autorin, Ernährungsberaterin und Food-Bloggerin Carina Wohlleben hat den Wandel zur Veganerin durchlebt. Das sind ihre Tipps für den Umstieg:
Tipp 1: Nimm dir nicht zu viel auf einmal vor
Eine Ernährungsumstellung von heute auf morgen kann hart sein - für den Körper und für den Kopf. Für Wohlleben hat der abrupte Umstieg nicht funktioniert. Das sei aber auch «totale Typsache», sagt sie.
Generell gilt: Für jemanden, der ohnehin schon viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte isst, ist der Umstieg einfacher. Kommen diese Lebensmittel alle neu auf den Speiseplan, kann das zum Beispiel zu Verdauungsproblemen führen, so Wohlleben.
Viele ernähren sich zuerst vegetarisch und werden dann vegan. Mit dieser Herangehensweise kann man sich langsam vortasten. Wenn die vegetarische Ernährung gut klappt, geht man den nächsten Schritt.
Es ist natürlich möglich, diesen Zwischenschritt zu überspringen, auch Carina Wohlleben hat es so geschafft. Wenn sie auswärts essen war, hat sie am Anfang allerdings viele Ausnahmen gemacht.
Generell rät Wohlleben, in kleinen Schritten umzusteigen - «natürlich schon immer mit dem Ziel vor Augen», sagt sie.
Wenn die Umgewöhnung schwerfällt, kann Folgendes helfen:
Ersetze zunächst nur einzelne Produkte und suche nach Alternativen, die dir gut schmecken.
Koche in der Anfangszeit nur zwei- bis dreimal pro Woche vegane Rezepte.
Suche für neue Rezepte nach Inspiration in Kochbüchern, auf Foodblogs oder auf Youtube und Instagram.
Tausche dich mit Menschen aus, die schon vegan leben, um von ihren Erfahrungen zu lernen.
Erlaube dir gerade am Anfang die eine oder andere Ausnahme - zum Beispiel am Arbeitsplatz oder im Restaurant.
Tipp 2: Probiere Ersatzprodukte aus
Mittlerweile gibt es sehr viele vegane Alternativen und Ersatzprodukte, die den Umstieg erleichtern können. Den Unterschied zum entsprechenden Fleischprodukt schmeckt man zum Teil gar nicht.
Wichtig ist laut Wohlleben, langfristig nicht ausschließlich auf solche Ersatzprodukte zurückzugreifen. Sie enthalten meist nicht die gleichen Nährstoffe wie die jeweiligen tierischen Lebensmittel. Stattdessen lieber mehr frische pflanzliche Zutaten verwenden.
Tipp 3: Hab Geduld und bleib dran
Bis die neue Ernährungsweise im Bewusstsein angekommen ist, kann einige Zeit vergehen. Das ist normal und völlig in Ordnung.
Für manche könne der Umstieg auch ein emotionales Thema sein, sagt Wohlleben. Es ist nicht einfach, alte Gewohnheiten abzulegen und zum Beispiel auf den Gänsebraten an Weihnachten zu verzichten - oder den Käsekuchen mit Eiern und Quark, den die Oma immer gemacht hat.
Auch das Umfeld muss sich erst einmal daran gewöhnen, dass du dich nicht mehr so ernährst wie früher. Du musst damit rechnen, dass du dich hin und wieder rechtfertigen musst. «Die Diskussionen werden ziemlich sicher kommen», weiß Wohlleben aus Erfahrung.
Erfolgserlebnisse helfen dabei, sich weiter zu motivieren. Die Food-Bloggerin konnte durch die Umstellung auf vegane Ernährung mehrere positive Veränderungen an sich feststellen:
Ihr Essen liegt nicht mehr so schwer im Magen.
Sie hat viel mehr Energie.
Nach dem Sport erholt sie sich schneller.
Ist eine vegane Ernährung wirklich gesund?
Gemüse, Obst, pflanzliches Eiweiß und Fett - aber auch tierische Proteine und Fette, die neben Fleisch auch Fisch liefert: So sieht laut Ernährungsmediziner Wechsler die ideale Ernährungsweise aus.
Wer sich vegan ernährt, verzichtet komplett auf tierische Fette und Proteine. Kann eine vegane Ernährung trotzdem gesund sein?
Ja, sie kann - wenn man es richtig macht.
Veganerinnen und Veganer sollten wissen, welche Defizite im Körper entstehen, wenn man tierische Produkte ganz weglässt, so Wechsler.
Sie sollten aus Sicht des Experten Folgendes im Blick haben:
Eiweißzufuhr: Der Mensch braucht 1 bis 1,5 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Pflanzliches Eiweiß hat eine geringere biologische Wertigkeit als tierisches Eiweiß. Das heißt, der Körper kann es nicht so gut in körpereigenes Protein umwandeln. Deshalb müssen Veganer die doppelte Menge Eiweiß zu sich nehmen.
Eisenhaushalt: Auch wenn etwa in Samen und Nüssen Eisen steckt - in Fleisch findet sich besonders viel davon, das bei einer veganen Ernährung fehlt. Es kann zu einem Mangel kommen.
Vitamin B12: Veganer sollten dieses Vitamin, das etwa für den Energiestoffwechsel wichtig ist, täglich als Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, rät Wechsler.
Der Mediziner empfiehlt Veganern und Veganerinnen eine gründliche Ernährungsberatung. Sie sollten ihren Vitamin- und Eisenhaushalt einmal im Jahr von einem Arzt oder einer Ärztin testen lassen.
Wer das im Blick hat, kann auch ohne tierische Produkte gut leben: «An sich leben Veganer nicht kürzer», sagt Wechsler.
Übrigens: Eine vegetarische Ernährung ist laut Wechsler nicht unbedingt gesünder als eine vegane. Wer sich aber vegetarisch ernährt, nimmt zum Beispiel durch Milchprodukte tierische Eiweiße auf. Das Risiko eines Mangels ist somit geringer.
Welche gesundheitlichen Risiken birgt eine vegane Ernährung?
Ein Mangel an Vitamin B12 kann Nervenschäden verursachen.
Ein Eisenmangel führt zu Blutarmut. Durchblutungsstörungen in Herz, Nieren und Gehirn können dann die Folge sein.
Der Körper braucht Eiweiß für die Muskulatur. Ein Mangel kann außerdem die Funktionsfähigkeit des Herzens beeinträchtigen.
Für wen ist die vegane Ernährung nicht geeignet?
Ernährungsmediziner Wechsler rät folgenden Personen, wegen möglicher Nebenwirkungen auf eine vegane Ernährungsweise zu verzichten:
Menschen mit einer chronischen Erkrankung
Menschen mit einer chronischen Infektion
Menschen mit einem Krebsleiden
Gut zu wissen: Auch in der Schwangerschaft kann man sich laut Wechsler vegan ernähren. Schwangere müssen aber gut aufpassen, dass das Kind im Bauch keinen Mangel an Nährstoffen erlebt.
Wie sieht eine vegane Ernährung aus?
Kein Fleisch, keine Eier, keine Milchprodukte: Veganerinnen und Veganer verzichten auf alles, was vom Tier stammt. Dazu zählen auch Honig und Produkte aus Gelatine.
Gut zu wissen: Auch Zusatzstoffe und Aromen können tierischen Ursprungs sein - darauf wird ebenso verzichtet.
Ansonsten kann eine vegane Ernährung überaus abwechslungsreich sein. Niemand muss jeden Tag Bohnen essen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) zählt Lebensmittel für Veganer auf, die zu einer gesunden Ernährung gehören und wichtige Nährstoffe liefern:
Obst, Gemüse und Kräuter bieten eine riesige Vielfalt und stecken voller Vitamine und Mineralstoffe.
Vollkornprodukte liefern Proteine, Eisen und Zink.
Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen, Bohnen und Soja dienen als Proteinquelle und liefern neben Eisen auch Kalzium, Zink und Selen.
Eine pflanzliche Milchalternative ist etwa Sojajoghurt, der neben Proteinen auch Vitamin C enthält und häufig mit Vitamin B12 angereichert wird.
Tofu und Seitan dienen ebenfalls als Kalzium- und Proteinquelle.
Nüsse, Kerne und Samen enthalten Omega-3-Fettsäuren sowie Eisen und Zink.
Pflanzliche Öle wie Raps- oder Walnussöl sind reich an Omega-3-Fettsäuren.
Aus der Kombination dieser Zutaten ergeben sich unzählige Möglichkeiten, sich vegan abwechslungsreich zu ernähren. «Es hört sich vielleicht erst mal ein bisschen eintönig an, aber das ist es überhaupt nicht», sagt Food-Bloggerin Wohlleben.
Worauf muss ich bei Ersatzprodukten achten?
Vegane Ersatzprodukte und Fertiggerichte sind vor allem bei Neu-Veganern beliebt, weil sie Geschmack und Konsistenz tierischer Produkte nachahmen. Mittlerweile gibt es eine große Auswahl.
Das Problem: Laut der DGE enthalten solche Produkte oft viel Zucker, Salz oder Fett - und viele Zusatzstoffe. Sie können aber durchaus auch mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert sein.
Carina Wohlleben rät allerdings, nicht ganz so häufig zu solchen Produkten zu greifen und sich die Zutaten genauer anzusehen. «Je kürzer die Zutatenliste, desto besser».
Möglichst wenige verarbeitete Lebensmittel sind ohnehin generell empfehlenswert. Darauf sollten auch Umsteiger achten, die durch eine vegane Ernährung abnehmen wollen. Wer vegan wird, aber dann vor allem Fertigprodukte, Süßes und Weißmehl isst, lebt nicht gesund.
Wo lauern versteckte tierische Inhaltsstoffe?
Ist das wirklich vegan? Für Wohlleben war eine der größten Erkenntnisse ihrer Ernährungsumstellung, in wie vielen Produkten tierische Bestandteile enthalten sind.
Auch hier ist ein Blick auf die Zutatenliste sinnvoll. Nicht auf allen Produkten wird eindeutig darauf hingewiesen, dass Zutaten oder Zusatzstoffe tierischen Ursprungs enthalten sind. Ebenso wenig, wenn in der Produktion tierische Bestandteile zum Einsatz kommen.
Eine entsprechende Kennzeichnung ist rechtlich bisher nicht vorgeschrieben. Labels wie das V-Label, die Veganblume oder das Ecoveg-Label können als Orientierungshilfe dienen.
Ein genauer Blick lohnt bei folgenden Lebensmitteln:
Konfitüre und Süßwaren: Wenn das Produkt eine intensive rote Farbe hat, kann der Farbstoff Karmin/Cochenille enthalten sein, der aus Schildläusen gewonnen wird.
Säfte und Weine: Zur Klärung wird oft Gelatine verwendet, die aus dem Bindegewebe von Schweinen und Rindern stammt.
Chips: Bestimmte Sorten können Aromen aus Schwein, Rind oder Fisch enthalten.
Schokolade: Sie kann mit Schellack überzogen sein, der aus dem Sekret von Schildläusen gewonnen wird.
Backwaren: Bei der Behandlung von Mehl kommt teilweise die Aminosäure L-Cystein zum Einsatz, die aus Schweineborsten oder Federn gewonnen wird.
Vegane Rezepte zum Nachkochen
Food-Bloggerin Carina Wohlleben stellt auf ihrem Instagram-Account regelmäßig neue vegane Rezepte vor. Hier einige leckere Beispiele:
Rote-Bete-Bolognese
Zutaten für 4 Portionen:
3 Rote Beten
6 Tomaten
2 Zwiebeln
4 Knoblauchzehen
150 g Sojagranulat
1 Tube Tomatenmark
750 ml Wasser
2 TL Oregano
3 EL dunkle Sojasoße
1 EL Balsamico-Essig
Salz, Pfeffer
Olivenöl zum Anbraten
100 g veganer Feta als Topping
Zubereitung:
Die Rote Bete schälen und in Würfel schneiden, die Tomaten in Scheiben schneiden, die Zwiebeln halbieren und ebenfalls in Scheiben schneiden.
Etwas Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und zunächst die Zwiebeln so lange anbraten, bis sie Farbe bekommen.
Dann die Rote Bete und die Tomaten hinzufügen und bei geschlossenem Deckel so lange köcheln lassen, bis die Tomaten zerfallen sind.
Wasser, Sojagranulat, Tomatenmark, ungeschälte Knoblauchzehen sowie Oregano in die Pfanne geben und alles gut miteinander verrühren.
Mit Sojasoße und Balsamico-Essig würzen und zugedeckt etwa 15 Minuten köcheln lassen.
Mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit zerbröseltem veganen Feta als Topping zur Pasta der Wahl servieren.
Brokkoli-Schnitzel
Zutaten für 8 Stück:
500 g Brokkoli-Röschen
180 g Haferflocken
230 g abgetropfte Kichererbsen
1 gehäufter TL mittelscharfer Senf
1/2 TL Knoblauchpulver
Salz, Pfeffer
80 g Panko-Paniermehl
Öl zum Anbraten
Zubereitung:
Die Brokkoli-Röschen in gesalzenem Wasser garen und gut abtropfen lassen.
Zusammen mit Haferflocken, Kichererbsen, Senf, Knoblauchpulver, Salz und Pfeffer im Hochleistungsmixer so zerkleinern, dass eine formbare Masse entsteht.
Nun aus der Masse Schnitzel formen und die Schnitzel in Panko-Paniermehl wälzen.
Reichlich Öl in einer Pfanne erhitzen und die Schnitzel von beiden seiden goldgelb knusprig anbraten.
Zum Abschluss noch etwas Süßes: Brownies
Zutaten für 1 Auflaufform 20x30 cm:
1 große Süßkartoffel
1 Dose Kidneybohnen
200 g gemahlene Mandeln
200 g weiche Datteln
4 EL Backkakao
1 TL Backpulver
1 EL zuckerfreie Schokodrops (vegan)
1 TL Cashewmus
Zubereitung:
Den Backofen auf 180 Grad Umluft vorheizen. Die Süßkartoffel schälen, in Stücke schneiden und weich kochen. Die Kidneybohnen in ein Sieb geben und gut abspülen.
Kidneybohnen, Süßkartoffel, gemahlene Mandeln, Datteln, Backpulver und Kakao in einen Mixer geben und auf höchster Stufe zu einem feinen Teig pürieren.
Die Auflaufform mit einem Stück Backpapier auslegen und den Teig darin verstreichen. Mit den Schokodrops bestreuen. Für 20 Minuten backen.
Wenn die Brownies abgekühlt sind, etwas Cashewmus darüber geben (geht am besten, wenn man es erwärmt und mit etwas Kokosöl vermischt).
Gut zu wissen: Schokolade kann durchaus vegan sein, denn im Eigentlichen wird so die Bohne bezeichnet. Milchprodukte können, müssen bei der Verarbeitung aber nicht hinzugegeben werden. Neben als vegan ausgezeichneten Produkten eignen sich für Veganer vor allem dunkle Schokoladensorten.
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