
Königstein, 28.04.2022
Ein Soldat in grün-roter Uniform steht auf seinem Posten an der Außenmauer der Festung Königstein. Er blickt auf die „Quirl“ genannte Erhebung gegenüber, beobachtet von oben die
Ortschaft Hütten im Bielatal–und strickt nebenbei lange Strümpfe aus Wolle.
Eine unsinnige Vorstellung? Keineswegs. Um 1750, so ist es überliefert, holte der
Artillerist und Witwer Johann Christian Zobel (1685 - 1754) bei seinen
Wachdiensten gern sein Strickzeug raus.
Der Soldat und Vater mehrerer Kinder wurde durch seine Handarbeit an
exponierter Stelle unsterblich. Der am weitesten nach Süden ragende
Felsvorsprung auf der Festung Königstein heißt heute immer noch „Zobels Eck“.
Welche Geschichte sich dahinter verbirgt, können Besucher nun auf einer Tafel
nachlesen–der Aussichtspunkt ist einer von fünfzehn „Lieblingsplätzen“ auf dem
weitläufigen Plateau, die ab Ende April in den Fokus einer Sonderausstellung
rücken.
Unter dem Titel „Von Möhrenbeet bis Festungswald“ widmet sich die Festung
erstmals der gärtnerischen sowie forst- und landwirtschaftlichen Nutzung der
Freiflächen, aber auch der unter militärischen Gesichtspunkten erfolgten
Begrünung. Die Ausstellung weist zudem auf Plätze hin, die den
Festungsbewohnern abseits des Alltagstrubels als Rückzugsort dienten.
Ein Jahr lang hat sich die Dresdner Gartenhistorikerin Dr. Stefanie Krihning
erstmals überhaupt mit diesem Thema befasst. Sie fand Erstaunliches und
mitunter Skurriles heraus. Anekdotenreich erzählt sie von Soldatengärten, vom
verschwundenen Weinberg, von Ziegen, Hühnern und Bienen, von
Blumendiebstählen oder sächsischen Königen gewidmeten Plätzen. Auch dem
Festungswald und dem Friedhof hat sie sich ausführlich gewidmet. Manche
bisher als Wildwuchs eingeordneten Bäume und Sträucher entpuppten sich
zudem als natürliche Tarnung von Geschützen oder Festungswällen.
Aus den Forschungen ist eine ganz besondere Ausstellung geworden, die auf
unterhaltsame Weise die verschiedenen Facetten des Festungsgrüns der
Aufmerksamkeit des Publikums empfiehlt. Während sich auf dem Plateau
zahlreiche Hinweise verteilen, können die Besucher in der Magdalenenburg in
dem von Hans Dieter Schaal gestalteten großen Schauraum tief in die grüne
Geschichte der Festung eintauchen. Neben Texten, Bildern und Dokumenten
sind historische Gartenwerkzeuge aus der Sammlung des Dresdner Künstlers
Einhart Grotegut zu besichtigen.
Neben den Gemüsebeeten hatten die Kommandanten private Zier- und
Lustgärten zur Erholung, als Statussymbol und zur Unterhaltung hoher Gäste.
Noch heute wird der Kommandantengarten als Ziergarten gepflegt. Um militärische
Bereiche wie Pulvermagazine und Batteriewälle vor den Blicken der
Feinde zu verbergen, wurden dichte Hecken und Baumreihen angelegt.
Mehrere interaktive Angebote, die von Museumspädagogin Dr. Maria
Pretzschner betreut werden, ergänzen den Rundgang. Darunter sind eine
Fühlstation mit zwölf Holzarten, die einst im Festungswald vorkamen, und eine
Duftstation, die an eine florale Leidenschaft eines Gefangenen erinnert. Peter
Aloysius Marquis d’Agdollo kultivierteEnde des 18. Jahrhunderts in seinem
Gärtchen etwa 500 Nelken.
Auch das ist eine der Geschichten, die nun erstmals auf dem Königstein erzählt
werden. Wie die von „Zobels Eck“. Wer will, kann sich übrigens mit dem Soldaten
fotografieren lassen: Zobel ist als lebensgroße Figur auferstanden–samt
Wollsocken und Strickzeug.
Über die Festung Königstein:
Die Festung Königstein ist eine der interessantesten Bergfestungen in Europa
und gehört zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten in Sachsen. Eingebettet
in die bizarre Felslandschaft des Elbsandsteingebirges thront weithin sichtbar die
einst unbezwingbare Wehranlage 247 Meter über dem Elbtal. Das 9,5 Hektar
große Felsplateau ist mit seinem einzigartigen Ensemble aus mehr als 50
imposanten Bauwerken verschiedener Epochen und seiner fast 800-jährigen, in
verschiedenen Ausstellungen erzählten Geschichte ein Magnet für jährlich
Hunderttausende Besucher aus der ganzen Welt.
Festung Königstein D-01824 Königstein, Festung 1
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