Ottendorf-Okrilla, 18.09.2021
Mit großer Lust auf Genuss bin ich unterwegs nach Ottendorf-Okrilla zu Marlon Gnauck, dem #echterBäcker, wie er sich bezeichnet. Marlon hat mich eingeladen zu einem Tasting mit Bier und Brot und ich bin wie immer gespannt, was mich an diesem Abend kulinarisch erwartet.
Beim Eintreten in die kleine Bäckerei an der Radeberger Straße 51 in Ottendorf-Okrilla werden Kindheitserinnerungen in mir geweckt. Es riecht lecker nach frisch Gebackenem und die Einrichtung in der Backstube erinnert mich an meine Kindheitstage, wenn ich in der Vorweihnachtszeit mit meiner Großmutter die Stollenzutaten zum Bäcker brachte und dann die fertigen Stollen in Großmutters Wäschekorb auf dem Leiterwagen wieder mit nach Hause brachte.
Irgendwie sieht alles für mich sehr einfach und nach typischen Bäckerhandwerk aus. Große Tischflächen, jede Menge Schüsseln und Backbehälter, Regale und ein kleines Buffet mit Brot und Käse, lecker aufgebaut.
Heute Abend steht das Bier im Mittelpunkt, so Biersommelier Jens Zimmermann aus Radeberg und so bin ich mittendrin in einer spannend umgesetzten Verkostung, über die ich bereits in meinem Beitrag ausführlich berichtet habe. Die Brote genießen die Gäste an diesem Abend mit Begeisterung und ich bin überrascht wie dunkle bis hin zum tiefen Schwarz die Brotkrusten aussehen, doch das hat seinen guten Grund, wie ich später noch erfahren werde.
Marlon hält sich an diesem Abend aus gesundheitlichen Gründen im Hintergrund und so vereinbare ich mit ihm einen weiteren Termin, um mehr über ihn, seine Philosophie und was es mit #echterBäcker auf sich hat, zu erfahren.
Echte Bäcker haben keine Geheimnisse!
Marlon wirkt auf mich heute morgen jung, authentisch, voller Tatendrang und geballtem Wissen, ich bin wirklich überrascht. Bei unserem Kennenlernen noch vor ein paar Tagen, saß er zurückgezogen, fast still in seiner Backstube und ich verstehe in diesem Moment, dass er sich am letzten Freitag wirklich nicht fit gefühlt hat.
Ich führe die Bäckerei gemeinsam mit meiner Frau in 5. Generation, erzählt mir Marlon, der nach der Schulzeit zunächst das Handwerk des Konditors gelernt hat. Irgendwann habe ich dann auch die Liebe zum Bäckerhandwerk für mich entdeckt, dass war nicht immer so. Heute gibt es neben unserer Bäckerei noch eine weitere Verkaufsstelle in Ottendorf-Okrilla. An 4 Tagen pro Woche gibt es meine Backwaren auch in Dresden bei den Marktschwärmern.
Wir backen hier wie in der guten alten Zeit, mit den Ansprüchen von heute. Für uns heißt das, Verzicht auf jegliche Zusatzstoffe, die nicht zwingend notwendig sind und so lassen sich wahrhaftig zu allen Produkten die vollständigen Zutatenlisten auf der Website der Bäckerei, wie Zutaten, Getreidemischunsgverhältnisse, Hinweise für Allergiker, Nährwerte, Vitamine und Nährstoffe, nachlesen.
"Sie backen doch noch wie früher" ist ein Satz der mir oft zu Ohren kommt. Darauf gibt es aber nur eine ehrliche Antwort "Nein"!
Das hat einfache Gründe: so wie der Hausfrau Tütensuppe & Co. für die Küche empfohlen wurde, so erging es auch den Bäckern. Man kann einfach viele Produkte herstellen die immer gelingen, bis man zum ersten mal das Kleingedruckte liest und sich sagt; "Da sind ja mehr E-Nummern drin als normale Zutaten!"
So ging es mir vor 13 Jahren, als der Wunsch immer größer wurde offen zu sagen was ich täglich verarbeite. Seit diesem Tag habe wir nach und nach alle Rezepturen überarbeitet. Viele Versuche waren notwendig, mancher Rückschlag war dabei, öfters kam man ins grübeln ob es richtig ist was man tut.
Ein einfaches Zitat beschreibt das Bestreben am besten: Vollkommenheit entsteht nicht dann, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern, wenn man nichts mehr wegnehmen kann. (Antoine de Saint-Exupéry)
Nun kann ich mit Freude sagen, die letzte Backmischung ist weg. Nur einen Satz wird niemand von mir hören; "Ich backe ohne E-Nummern". Wer diese Aussage trifft, hat sich nie mit dem Thema intensiv beschäftigt. Eine Marmelade ohne Pektin*? Eine Geleetorte, für Vegetarier, ohne AgarAgar**? Eine Hochzeitstorte ohne Farbstoff?... Nein alles ist nicht möglich ;-)
Meine Regeln für unsere Bäckerei & Konditorei:
keine Backmischungen oder Backmittel mit einer Zugabe von mehr als 3%
keine zugekauften Tiefkühlteiglinge
viel gute Butter, statt Margarine
keine Aromen, die nicht zu 100% aus dem namensgebenden Rohstoff stammen
keine chemisch-synthetischen Emulgatoren
keine chemisch modifizierten Stärken oder Mehle
keine Farbstoffe in täglichen Sortiment... nur Marzipanfiguren, Hochzeits- & Geschenktorten dürfen sich mir Farben schmücken
keine Konservierungsstoffe
keine Geschmacksverstärker, dafür echter Natursauerteig & Vorteige
keine Rohstoffe aus gentechnisch verändertem Saatgut
Diese Regeln gelten für alle unsere Produkte..., egal ob Brot, Kuchen oder Torten...
So oft es geht, nutzen wir Produkte aus der Region. Den dadurch höheren Einkaufspreis zahlen wir natürlich gern, damit die #Getreide- und Milchbauern einen angemessen Preis für ihre Arbeit erhalten. So nutzen wir schon längere Zeit die #frischeMilch von Böhnischs Landtheke für unsere Produkte. Damit auch Ihr die Region unterstützen und eine #leckere Milch mit nach Hause nehmen könnt, gibt es diese auch bei uns im Laden, - fragt einfach danach.
Zeit ist nicht ersetzbar
In den meisten Backstuben herrscht die Diktatur, der Bäcker passt den Teig an die Maschinen an. Es kommt so viel Hefe in den Teig, das er möglichst schnell in den Backofen kann.
Die notwendige Zeit wird durch Backmittel ersetzt, Geschmack kommt nicht mehr aus der
Natur, sondern aus dem industriellen Baukasten. Die Fertigmischung hat das Fachwissen
verdrängt, DASS ist nicht mein Weg!
In meiner Backstube gibt es nur einen Chef, den Teig. Er bestimmt den Rhythmus,
niemand Anderes! Er bekommt soviel Zeit, wie er braucht. Damit kann er reifen und verlorengeglaubte Geschmacksnoten entwickeln.
Pirat des Bäckerhandwerks
Mir fällt während unseres Gespräches auf, dass überall ein Totenkopf zu sehen ist. An der Wand, eine Fahne an der Backstube und auf der Kleidung auch bei den Mitarbeitern. Ich frage mich also, warum ein Totenkopf?
Das hat auch bei meinen Kunden und Mitarbeitern zunächst Verwirrung gestiftet, erzählt mir Marlon. Ich wollte mit diesem Symbol Aufmerksamkeit und das Hinterfragen wecken.
Ich bin ein Querkopf unter den Bäckern, einer der bestehende Arbeitsweisen und Zutaten hinterfragt. Eben ein Pirat der gegen den Strom segelt!!!
Und es ist mir wichtig zu beraten und zu informieren, eben weil ich ein #echterBäcker bin.
Freispruch für den Weizen
Es ist zur Zeit „in“ den Weizen oder gleich das Brotsortiment in die böse Ecke zu stellen. Bücher wie „Weizenwampe“ oder „Dumm wie Brot“ tun ihr Bestes dazu, diese Meinung salonfähig zu machen.
Nur nach den tatsächlichen Ursachen für körperliche Probleme wie Blähbauch oder Reizdarm wird nicht gesucht. Einfach den Weizen aus dem Speiseplan streichen, und alles ist gut.
Nach dieser Theorie, müssten in den südlichen Ländern nur dicke und kranke Menschen leben. Schaut man aber genauer hin, findet man in der mediterranen Bäckerei vor allem Weizenvorteige und lange Teigruhen. Das südliche Lebensgefühl der „Siesta“ wurde auf die Herstellung der Teige übertragen.
Während der Teig ruht können Milchsäurebakterien und Hefen in Ruhe den, von Natur aus im Getreide enthaltenen, Zucker auffressen. Als Nebenprodukte gibt es schmackhafte und bekömmliche Baguettes, Ciabatta & Co.
In der deutschen Bäckerei kennt man dies leider meist nur noch als Roggensauerteig... Falls dieser nicht auch schon durch Teigsäuerungsmittel ersetzt wurde... Es muss alles möglichst schnell gehen...
Diesen „Trend“ der Schnelligkeit machen wir nicht mehr mit. Vorteige und lange Teigruhen sind bei uns die Regel und nicht die Ausnahme.
Wir können Ihnen nichts versprechen, die Chance das Sie aber mehr essen dürfen als Sie glauben ist relativ groß. Vertrauen Sie uns, das wir den Brotteigen genügend Zeit geben... und probieren Sie aus was Ihrem Körper gut tut.
Viele dankbare Rückmeldungen von Kunden haben uns bestärkt, weiter diesen langsamen Weg des Backens zu gehen!
Viel ließt man heute über UrGetreide, doch was ist das?
Unsere Hauptgetreidearten sind Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Hirse, Mais und Reis. Dazu kommen weitere Unterarten, die bekanntesten sind Dinkel, Emmer und Einkorn.
Ursprünglich waren unsere heutigen Getreidearten Wildgräser. Durch gezielte Zucht und Kreuzung wurde versucht, immer ertragreichere Ähren mit möglichst großen Körnern zu züchten. Auch wird versucht, sie gegen Umwelteinflüsse wie beispielsweise Klima-schwankungen, Krankheiten und Schädlinge resistenter zu machen.
Gleichzeitig wurden immer leistungsfähigere Dünger und Pflanzengifte entwickelt. Dabei waren die hohen Erträge oft wichtiger, als Spätfolgen für Mensch und Umwelt. Das ging so weit, dass Mittel entwickelt wurden welche, alle Pflanzen vergiften, außer jene welche bewusst Resistenzen in sich tragen um diese Gifte zu überleben.
An der Stelle haben wir begonnen unseren Getreideeinkauf grundlegend zu überdenken.
Wir haben uns als Erstes eine Mühle in der Region gesucht, knapp 35 km sind es bis zur RätzeMühle nach Spittwitz (zwischen Bischofswerda und Bautzen)
Die RätzeMühle ist, genau wie wir, Partner bei „die Lausitz schmeckt“... Um dort Mitglied zu werden, muss man sich verpflichten, mindestens 80% der Rohstoffe aus der Lausitz zu beziehen
Es werden nur naturbelassene Mehle, ohne chemische Zusätze, gekauft. Diese verwenden wir in allen Backwaren.
Im Herbst 2018 sind wir beim Brot dann einen großen Schritt zurück gegangen… Mit „Jägers norddeutschem ChampagnerRoggen“ und „Pommerschen DickkopfWeizen“ haben zwei längst vergessene Getreidearten bei uns wieder Einzug gehalten.
Beide Sorten kommen problemlos mit den sandigen Böden der Lausitz zurecht. Sie haben kein Problem mit trockenen Perioden während des Wachstums… und vor allem benötigen sie keinen Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel.
Die Nachteile der anspruchsvolleren Verarbeitung in der Backstube, sowie einen höheren Preis (aufgrund eines niedrigeren Ernteertrags) haben uns nicht davon abgehalten, fast alle Brote auf diese alten Sorten umzustellen.
Wir sind Marktschwärmer
Mit der Kombination aus Online-Shop und Bauernmarkt bringt Marktschwärmer Verbraucher und Erzeuger bester, regionaler Lebensmittel auf einem ganz neuen Weg
zusammen: Der Kunde bestellt und bezahlt online. Die Bestellung holt er einmal pro Woche bei einem Regionalmarkt in seiner Nachbarschaft ab. Dort treffen sich Kunden und Erzeuger persönlich zur Übergabe und zum Austausch.
In Dresden findet man die Bäckerei Gnauck an allen 4 Standorten der Marktschwärmer... in der Neustadt, Striesen, Friedrichstadt und seit kurzem auch in Pieschen.
Backkurse & GenussAbende
Regelmäßig finden Samstags in unserer Backstube BrotBackkurse statt. In einer kleiner Gruppe bringe ich euch in 4 Stunden das Backen mit viel Zeit & ohne Backhefe näher.
In der Vorweihnachtszeit hast Du die Chance mit uns Deinen eigenen Stollen bei uns zu backen. Jeder Teilnehmer des StollenBackkurses nimmt natürlich seine 2 Christstollen mit nach Hause, und wer fleißig sein will sagt vorher Bescheid und bäckt für die Familie gleich mit.
PS: Keine Angst wenn du noch nie gebacken hast, bei uns steht der Spaß an erster Stelle. Und wir helfen Dir ganz heimlich zu fast perfekten Backwaren.
Mehrfach im Jahr wird es Freitags in unserer Backstube kulinarisch & lehrreich. Unsere GenussAbende verwöhnen Deinen Gaumen mit mehr als „nur Brot“. Ich werde mit euch einen Ausflug in die Ernährung machen, und gemeinsam den Freispruch für
den Weizen erarbeiten...
Gern laden wir uns Gäste zu den GenussAbenden ein. Gemeinsam veranstalten wir
• WhiskyTastings
• WeinVerkostungen
• BierVerkostungen und vieles mehr
natürlich immer mit einem reichhaltigem BrotBüfett.
Meine Quellen des Wissens findest du hier.
Dresdner Christstollen
Wir sind Mitglied im Dresdner Stollenschutzverband e.V.
Der Verband garantiert dem Verbraucher durch ein Qualitätszertifikat, ein goldenes, ovales Siegel mit betriebsindividueller Kennzeichnung und dem Text: "Dresdner Stollen Schutzverband e.V.", die gleichbleibende Qualität der Dresdner Stollen.
Folgende Inhaltsstoffe muss der Stollen enthalten: Weizenmehl 405 oder 550, Backhefe, Vollmilch oder Vollmilchpulver, Kristallzucker, Frischbutter bzw. Butterschmalz, Zitronat, Orangeat, Sultaninen, Mandeln süß und bitter bzw. Marzipanrohmasse, Zitronenschalenpaste, Speisesalz, Puderzucker, Stollengewürz und Spirituosen.
Folgende Inhaltsstoffe müssen bezogen auf 100% Mehl enthalten sein:
50% Frischbutter bzw. Butterschmalz
65% Sultaninen
20% Zitronat und Orangeat
15% Mandeln süß oder bitter
Die Lager- und Garantiefristen betragen mindestens 8 Wochen vom Tag der Herstellung, unter folgenden Bedingungen:
12-15°C als optimale Lagertemperatur
60-70% relative Luftfeuchte
Unsere Rosinenstollen haben, mit 12 Wochen, eine deutlich längere Haltbarkeit. Wir liefern mittlerweile unsere Stollen weltweit in über 80 Länder.
Ich bin beeindruckt mit welchem Engagement Marlon Gnauck mir seine Geschichte und von seiner großen Leidenschaft erzählt, die er liebt und lebt. Für mich ist er ein Echter Bäcker und es ist ein weiterer wichtiger Beitrag, um Menschen Denkanstöße und Wissen zu geben, einfach über unsere Welt, unsere Ressourcen und auch unsere Möglichkeiten, einer vernunftorientierten Ernährung nachzudenken und immer wieder auch festzustellen, dass gute Arbeit immer auch ein mehr an Zeit und auch an Geld kostet und wir diese Wertigkeit für gute Lebensmittel unbedingt wertschätzen sollten.
Dirk Andersch
Redaktion
Konditorei & Bäckerei Gnauck
vertreten durch: Marlon Gnauck
Radeberger Str.51, 01458 Ottendorf-Okrilla
(035205) 54693
https://www.stollen-online.de
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