Dresden, 26.06.2023
Die einen kommen, andere verlassen Dresden
Früher war die Wanderschaft, auch Walz genannt, eine Grundvoraussetzung im Handwerk, um die Prüfung zum Meister beginnen zu können. Gerade in der Gastronomie gehört es mittlerweile wieder zum guten Ton, die Welt außerhalb der ersten vier Küchenwände, in die man gesteckt wird, zu entdecken. Für viele ist genau diese Möglichkeit ein wichtiges Kriterium, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Das sollten kluge Gastronomen für ihre Mitarbeiter fördern.
Früher oder später trifft es jeden: Der Alltag kehrt ins Berufsleben ein. Da kann der Job noch so abwechslungsreich sein, irgendwann hat man doch alles gesehen, alles schon mal gemacht und ist sich seiner Sache im Betrieb sehr sicher. Abwechslung und frischen Wind fürs Oberstübchen bringen Fortbildungen, Praktika in anderen Betrieben und Exkursionen zu relevanten Themen.
Durch Reisen in andere Länder lässt sich das kulinarische Angebot mannigfaltig erweitern. Eindrücke, die man in unseren Breitengraden nicht wahrnimmt, finden so ihren Platz in unserer Kochkultur.
Auf der Walz entdeckt so manch ein Kollege ganz neue Fähigkeiten, erlangt neues Wissen und erweitert unter Umständen auch seine Sprachkenntnisse. Selbstständiges Arbeiten wird gefördert, die Sicherheit im Umgang mit fremden Waren, Gerätschaften und Menschen steigt, das Selbstwertgefühl bekommt einen ordentlichen Push.
Tobias Moc (40) ist seit Juli 2021 Küchenchef im Palais Bistro im Hotel Kempinski Taschenbergpalais und hat mir verraten, dass er noch in diesem Jahr Dresden verlassen wird. Dieses Mal jedoch mit der ganzen Familie und er spricht von einem Cut und Neuanfang, auch für die Ehefrau und die Kinder.
„Es geht nach Kitzbühel, verrät mir Tobias und wir fangen noch einmal von vorn an“. „Wir freuen uns auf das, was kommt“ und ich spüre, wie er für diese Entscheidung brennt.
Der „Neue“ sieht sich selbst als „Küchenchef zum Anfassen.“ Nachdem er am Tegernsee, in Österreich und der Schweiz unterwegs war, zog es ihn in seine Heimat Dresden zurück. „Home sweethome eben“, lächelt der 38-Jährige vor zwei Jahren, der auch schon bei Bean&Beluga und in der Vorstandskantine von Lange& Söhne gekocht hat. Ebenso im Großen Garten und im Sophienkeller. Dann wurde er Sous-Chef im Kastenmeiers, arbeitete dort ein Jahrzehnt und machte auch noch den Umzug vom Kurländer Palais ins Taschenbergpalais mit. Das sei eine spannende und fordernde Phase gewesen.
Nun ist die Zeit reif für eine besondere Herausforderung mit der ganzen Familie.
Ralf Lange ist Chef vom Turmcafé und seine Afterwork Partys in den Sonnenuntergang sind legendär. Bis März dieses Jahres war er auch das Gesicht und Inhaber vom Café Clara in Loschwitz. Der gelernte Bäckermeister ist schon viel herumgekommen, lebt vier Jahre in Holland und ist schon lange ein Genussmensch mit dem besonderen Hang zum Wein.
„Zum Genuss gehört für mich unbedingt auch der Wein in seiner Vielfalt und Einzigartigkeit“. „Daher habe ich mich immer wieder aufgemacht, regelmäßig neue Winzer und ihre Weingüter zu besuchen, die Einzigartigkeit der Weine kennenzulernen, damit meine Gäste den für sie passenden Wein zur Speise finden“.
Nachdem Ralf im Frühjahr das Café abgegeben hat, um sich mehr auf das Turmcafé zu konzentrieren, folgt jetzt das komplette aus. „Ich beende meine Arbeit hier in Dresden und werden an die Mosel gehen“. „Ein langjähriger Freund hat mir die Möglichkeit geboten, in seinem Weingut zu arbeiten und mein Herz schlägt für diese neue Herausforderung“.
„Ich bin mir sicher, dass ich irgendwann nach Dresden zurückkehren werde und vielleicht gibt es dann ja auch wieder spektakuläre Events“.
Auch Kali Schneider, der Wirt aus seiner "Zweiten Heimat", wird Dresden den Rücken kehren, dieses Mal wohl für immer.
Mit Kali Schneider übernahm im Februar 2020 ein Urgestein der Gastronomie das idyllisch gelegene Restaurant an der Golfanlage Ullersdorf, in dem die Gäste mit dem Essen immer einen entspannten Blick in die Natur serviert bekommen.
Der gebürtige Schwabe hatte 20 Jahre die „Baumwiese“ in Dresden-Boxdorf geführt. Nach 5 Jahren Wanderschaft durch Deutschland war er zurückgekehrt und bezeichnet die Region längst als seine zweite Heimat. Der Name „Zweite Heimat“ für sein Wirtshaus in Ullersdorf sprach ihm daher einfach aus dem Herzen.
Der studierte Betriebswirt hat das Handwerk eines Kochs zwar nie gelernt, kocht aber seit seinem 7. Lebensjahr mit großer Leidenschaft. In der ZDF „Küchenschlacht“ hat er sein Können unter Beweis gestellt, kochte sich bis ins große Jahresfinale und wurde 2018 immerhin als zweitbester Hobbykoch Deutschlands gekürt.
Seine Entscheidung hat allerdings gesundheitliche Gründe. Krankheit und Arbeit, das lässt sich gerade in dieser Branche nur schwer miteinander verbinden und die Krankheit zwingt zu diesem Entschluss und der Rückkehr in die erste Heimat.
Wir wünschen allen Glück und Gesundheit auf ihren neuen Wegen und sagen danke, für ihr Schaffen und die vielen besonderen Momente, an denen wir genussvoll genießen konnten.
Ein Beitrag von Dirk Andersch
(Redaktion Lust auf Dresden)
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