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Lust auf Dresden

Zwei "Erlkönige" auf Europas Bierolymp


Braumeister Josef Erl (vorn) und sein Onkel Günter Erl prüfen den Reifegrad eines dunklen Biers, das in einem der rund 19.000 Liter fassenden Tanks lagert. Foto: obx-news/Jens Henning-Billon

Keine deutsche Brauerei war beim härtesten europäischen Bierwettbewerb erfolgreicher als Erl-Bräu aus Niederbayern.

Geiselhöring (obx) - Mehr als sieben Millionen Maß Bier werden jedes Jahr auf dem Oktoberfest in der bayerischen Landeshauptstadt ausgeschenkt, mehr als auf jedem anderen Bierfest der Welt. Doch Europas bestes Festbier befindet sich nicht in den Maßkrügen auf der Münchner Wiesn - es wird im niederbayerischen Straubing auf dem Gäubodenvolksfest ausgeschenkt und von einer kleinen Familienbrauerei hergestellt. Zu diesem Urteil kam eine Jury aus mehr als einhundert deutschen und internationalen Gerstensaft-Experten beim European Beer Star 2016. Sie verliehen das einzige Gold in der Kategorie "Bestes Festbier nach deutscher Brauweise" an eine kleine Landbrauerei aus dem Landkreis Straubing-Bogen: Die Brauerei Erl schaffte die Sensation und setzte sich in der prestigeträchtigen Wertung gegen die großen Platzhirsche aus der Branche durch. Das Geheimnis des niederbayerischen Davids im Wettbewerb gegen die Biergiganten: ein altes Familienrezept, Wasser aus einem eigenen Tiefbrunnen, Zutaten aus der Region - und eine große Portion Leidenschaft.

Die Auszeichnungen beim European Beer Star, verliehen beim Branchentreff "BrauBeviale" auf der Nürnberger Messe, gelten unter Braumeistern als die "Gourmetsterne des Gerstensafts". Ende 2016 verkosteten die Juroren mehr als 2.000 Biere aus über 40 Ländern rund um den Globus. Das überraschende Verdikt der Tester: "Erl Bräu" ist Bayerns erfolgreichste Brauerei. Bundesweit teilen sich die Niederbayern den Spitzenplatz mit der Brauerei Gold Ochsen aus Ulm in Baden-Württemberg, die ebenfalls zwei Goldmedaillen holte. Mit Gold prämierten die Juroren neben dem "Erlkönig Festbier" auch den "Erlkönig Imperator", einen hellen Doppelbock, der anlässlich des 500. Jubiläums des Reinheitsgebots im vergangenen Jahr erstmals gebraut wurde. Bierbrauen ist bei den Erls in Geiselhöring Familientradition: Der 29-jährige Braumeister Josef Erl führt den Betrieb gemeinsam mit seinem Vater Ludwig und dessen Bruder Günter bereits in der sechsten Generation. Die Braugeschichte der Erls begann im Jahre 1871, als Ulrich Erl die bestehende Brauerei Mayer am Stadtplatz in Geiselhöring kaufte. Dreißig Jahre später erweiterte dessen Sohn Ludwig den Betrieb und zog an einen neuen Standort wenige hundert Meter entfernt um. Dort ist die Brauerei seit 1901 und bis heute zuhause. "Doppel-Gold - das war eine echte Überraschung", sagt Josef Erl, der vor zwei Jahren sein Studium zum Diplom-Braumeister in Weihenstephan abschloss und seitdem die Familientradition im Sinne seiner Vorfahren weiterführt. Für Seniorchef Ludwig Erl ist der Titel auch eine Bestätigung für das Bewahren des Ursprünglichen. Der 62-Jährige, der lange vor dem Beginn der "Craft-Beer-Bewegung" bereits 1990 den Amerikanern in Los Angeles vorführte, wie ein echtes bayerisches Bier entsteht und schmeckt, sagt: "Wir wollen einfach mit guten Rohstoffen unsere niederbayerische Braukunst erlebbar machen." Und er meint damit: ungekünstelt und weit weg vom Zeitgeist. Lange bevor "Micro Breweries", also der Trend hin zu kleinen Brauereien und besonderen Bierspezialitäten in limitierten Mengen, aufkamen, hatten die Erls für sich schon festgelegt: der beste Weg in die Zukunft liegt in der großen Geschichte des niederbayerischen Biers. So ist heute das "Erlkönig Festbier", das seit Jahrzehnten auf dem Gäubodenvolksfest ausgeschenkt wird, aktuell in der Ochsenbraterei Wenisch, das einzige, das noch traditionell handwerklich in offenen Gärbottichen gebraut wird. "Das gibt es auch auf der Münchner Wiesn schon lange nicht mehr", sagt Ludwig Erl. Auch bei den Zutaten hielten die Erls stets Kurs: "Unabhängig von Weltmarktpreisen und Spekulation legen wir hier den Schwerpunkt auf die Zuverlässigkeit unserer Partner und die Qualität von Hopfen und Malz", sagt Junior-Braumeister Josef Erl, der auch das Rezept für den ebenfalls mit Gold ausgezeichneten hellen und mit fast neun Prozent Alkoholgehalt besonders süffigen Doppelbock "Erlkönig Imperator" entwickelte. Alle Rohstoffe stammen nach seinen Worten von alteingesessenen bayrischen Mälzereien und Hopfenbauern, mit denen die Erls schon über Jahrzehnte zusammenarbeiten. Dazu kommt: "Unser weiches Brauwasser stammt aus dem eigenen kontrollierten Tiefbrunnen, wird nicht chemisch aufbereitet und ist eines der wenigen noch nitratfreien Brauwässer in Niederbayern", sagt Josef Erl. Auf Regionalität setzt das Unternehmen mit 18 Mitarbeitern, davon drei Auszubildende, auch bei der Vermarktung: Das Liefergebiet umfasst einen Umkreis von rund 80 Kilometern. Besonders gern getrunken wird es traditionell im Raum Regensburg und Straubing. Doch seit Neuestem kommt Bewegung in die "Bierlandkarte" der Geiselhöringer Traditionsbrauer: Bei Münchner Getränkehändlern galten die "Erlkönige" lange als Geheimtipp. "Seit der Nachricht vom Doppel-Gold ist der Absatz spürbar gestiegen", so Vertriebsleiter Günter Erl.

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